Gesamtlackschichtdicke
Gesamtlackschichtdicke
In der Praxis kommt es immer wieder vor: Nach einer induktiven Schichtdickenmessung werden Reparaturlackierungen beanstandet – mit der Begründung, die Gesamtlackschichtdicke sei zu hoch. Aber ist sie überhaupt ein Maßstab? Und wenn ja – wie viel darf es denn sein?
Zu diesem Streitthema hat die deutsche Kommission für Lack- und Karosserieinstandsetzung (DeKoLaKa) im Frühling dieses Jahres ein Merkblatt1 verabschiedet. Es stellt eindeutig fest, dass erhöhte Lackschichtdicken alleine kein Grund sind, Fahrzeugreparaturlackierungen als nicht fachgerecht einzustufen. Außerdem gibt das Papier Anhaltspunkte für Schichtdicken bei verschiedenen Reparaturverfahren.
Zunächst klärt das Merkblatt, welche Beschichtungsmaterialien dem Substrat und welche dem Schichtaufbau einer Lackierung zuzuordnen sind –
ein entscheidender Punkt, wenn es um die Bewertung der Reparatur geht. Karosseriefüllmassen und Schwemmzinnersatzmaterialien gehören demnach zum Substrat und zählen nicht zur Gesamtlackschichtdicke.
Schon beim Neufahrzeug sind die Werte nicht einheitlich
Grundsätzlich hängt die Gesamtlackschichtdicke beim Neufahrzeug wesentlich von der Fertigungstechnologie und den Beschichtungsverfahren ab. Bei der Erstbeschichtung aus industrieller Serienfertigung beträgt sie in der Regel zwischen 80 und 130 µm – ein Richtwert, der je nach Hersteller, Standort, Verfahren und Prozessablauf variieren kann. Die Abweichungen können aber noch größer ausfallen: Tatsächlich kommen erhöhte Lackschichtdicken bis hin zur doppelten Gesamtlackschichtdicke im Vergleich zur idealen industriellen Serienfertigung vor. Ein großer deutscher Fahrzeughersteller gibt an, dass die Gesamtlackschichtdicke bei der Serienfertigung bis zu 350 µm betragen kann – Grund sind Wiederholungslackierungen in der Nachbearbeitung in so genannten „Pre Delivery Inspection Centers“. In der Praxis wurden sogar schon höhere Werte gemessen – das ist auch bei als unfallfrei angebotenen Neufahrzeugen nicht zwingend unplausibel.
Bei der Reparatur gelten andere Maßstäbe
In der handwerklichen Reparaturlackierung sind gegenüber der industriellen Serienfertigung unterschiedliche Applikationsverfahren und Beschichtungstechnologien erforderlich – was natürlich Abweichungen im Decklackaufbau zur Folge hat. Bei der Reparaturlackierung gibt es verschiedene Prozessabläufe, außerdem kommen diverse Lackreparatursysteme zum Einsatz. Oft werden intakte Lackschichten nicht komplett abgetragen – vielmehr werden sie in die Reparaturlackierung mit einbezogen und bilden die strukturelle Basis für den handwerklichen Lackierprozess. Eine erhöhte Gesamtlackschichtdicke ist damit eingepreist und absolut im Sinne einer fachgerechten Ausführung.
Eine grundsätzliche Weichenstellung stellt schon der Karosserieinstandsetzungsprozess dar. Bei Bedarf werden Karosserieausgleich- beziehungsweise -füllmassen eingesetzt; siehe oben. Je nachdem wie erfolgreich die Blechrückformung war, kann hier die Schichtdicke bereits mehrere Millimeter betragen. Das Problem in der Praxis ist nun: Bei der Beurteilung der Gesamtlackschichtdicke durch zerstörungsfreie Messmethoden (also zum Beispiel mit einem Schichtdickenmessgerät) lassen sich die einzelnen Schichtdicken meist nicht getrennt messen. Die Füll- und Ausgleichsmassen, die nicht zur Gesamtlackschichtdicke gerechnet werden, fließen aber in die Messung ein. Einige beispielhafte Schichtaufbauten mit Richtwerten finden sich im Merkblatt.
Fazit
Das Merkblatt stellt klar fest „… dass aufgrund von zerstörungsfreien Messmethoden zur Lackschichtdickenermittlung keine präzisen und abschließenden Aussagen über die Qualität der reparaturlackierten und / oder aus sonstigen Gründen wiederholt lackierten Fahrzeugkarosserie oder deren Bauteile getroffen werden können.“ (Merkblatt, Seite 13) Damit ist die Gesamtlackschichtdicke nach einer Reparatur als alleiniges Kriterium nicht zu bemängeln. Ausnahme: Es gibt tatsächlich optische oder funktionale Beeinträchtigungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch.
Für eine eindeutige Beurteilung muss der Materialaufbau im Detail bekannt sein. Solche vertiefenden zusätzlichen Analysen im Nachhinein sind allerdings in der Regel alles andere als zerstörungsfrei. In anderen Worten: nur durch vollständiges Abschleifen der reparierten Stelle möglich.
1GESAMTSCHICHTDICKE
Grundlagen für die fachgerechte Beurteilung von Lackierungen straßengebundener Fahrzeuge anhand der Schichtdickenmessung
Bundesverband Fahrzeuglackierer
Deutsche Kommission für Lack- und Karosserieinstandsetzung
Merkblatt 010 (Stand: 03/2025)